Bist du fit, hast keine Einschränkungen, kein Handicap, würdest du dir Gedanken machen über Alternativen? Ich nicht.
Manchmal kommt man aber in die Situation, zum Beispiel im Falle Multiple Sklerose, dass du Alternativen brauchst. Glück für denjenigen, der darüber noch nicht oder im besten Fall noch nie nachdenken musste.
Ich war früher im Radsport aktiv, bin auch sonst viel Fahrrad gefahren. Nun fing es im Jahr 2011 schleichend an, dass ich Schwächen im Gleichgewicht, in der Ausdauer und der Koordination feststellte. Mein linkes Bein fing an, mir einen Strich durch meine Fahrradrechnung zu machen. Es vergingen vier Jahre des Ignorierens, weil es einfach nicht mehr funktionierte. Plötzlich war auch das Auf- und Absteigen ein großes Problem. Doch dann ist man plötzlich zur richtigen Zeit am richtigen Ort und sieht an der Ampel zwei Leute auf einem Tandem.
Wie Wickie hebte ich meinen Zeigefinger und rief „das möchte ich auch mal probieren“. Gesagt getan haben meine Freundin und ich im Urlaub für den nächsten Tag ein Tandem ausgeliehen. Zum Glück habe ich mir meine in der Kindheit angeeignete Unerschrockenheit bis heute erhalten und setzte mich hinten auf das Tandem. Natürlich rutschte mein linker Fuß sehr oft von der linken Pedale, natürlich musste ich meiner Vorderfrau das Ruder überlassen. Das letztere fiel mir am schwersten, da ich sehr selten das Ruder aus der Hand gebe, aber ich wusste, wenn ich das nicht hinbekomme, dann funktioniert das Tandemfahren nicht. Und es funktionierte und ich saß breit grinsend auf dem Tandem und fuhr irgendwie Fahrrad, denn Fahrrad fahren ging für mich eigentlich anders.
So fuhren wir die zweite Woche in unserem Urlaub jeden Tag Tandem. Ich strahlend hinten sitzend, der Fuß rutschte immer mal wieder runter, die Muskeln des linken Beins reagierten manchmal mit wilden Zuckungen, aber das wurde von Tag zu Tag besser. Und das allerbeste: mein Laufen verbesserte sich. Sicherlich durch die Vibrationen beim Fahrradfahren, die sich auf den Fuß übertrugen. Das muss so ein ähnliches Prinzip sein wie bei der Stochastischen Resonanztherapie (SRT). Zum Thema SRT gibt es an anderer Stelle einen ausführlichen Artikel von mir.
Das Abrutschen des Fußes war immer noch ein Problem, aber auch dafür gab es eine Lösung: Fußkörbchen auf der Pedale und der Fuß bleibt wo er hingehört. Die Gefahr dabei ist allerdings, das habe ich selbst erfahren, man merkt nicht mehr, wann man eine Pause braucht. Denn der Fuß rutschte natürlich immer dann runter, wenn die Muskeln ermüdet waren. Dieser Effekt war jetzt ausgeblendet und ich konnte ab dann nur noch beobachten, wie sich meine Beinmuskulatur im allgemeinen verhält.
Es gibt noch einige andere sportliche Aktivitäten, die ich nicht mehr ausüben kann, dafür sind mir noch keine Alternativen eingefallen. Aber das kommt bestimmt noch, da bin ich mir sicher. Seit besagtem Urlaub steht ein bei eBay gekauftes Tandem bei uns zuhause und wenn es am Wochenende endlich etwas kühler wird, dann radeln wir wieder eine kleine Runde.
Und das Schöne, wenn man hinten sitzt? Man kann freihändig fahren und dabei die Landschaft anschauen. 😀
Es bleibt wie immer spannend und ich neugierig!
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